Nach Innsbruck, dem Frühling entgegen!
Seit Tagen lässt sich in Wien die Sonne nicht blicken, und für Anfang März ist es viel zu kalt. Ganz anders die Situation in West-Österreich: Dort gibt es tagsüber schon frühlingshafte Temperaturen und blitzblauen Himmel. Eigentlich spricht nichts dagegen, mich gleich morgen früh in einen Zug nach Innsbruck zu setzen und mit der Hungerburgbahn zu einem der Aussichtsbalkone der Alpenmetropole hinaufzufahren. Sie ist übrigens die einzige Seilbahn, deren Benützung im KlimaTicket inkludiert ist.
Eine Reise in die Alpenmetropole
Wie ein Riegel schirmt das langgezogene neue Bahnhofsgebäude die vielen Bahnsteige des Innsbrucker Hauptbahnhofs vom Südtiroler Platz ab. Dort warten Busse und die hektische Betriebsamkeit der Alpenmetropole. Ich nehme mir noch ein wenig Zeit, um in der Ankunftshalle die Wandbilder von Max Weiler zu bewundern. Die beiden Auftragswerke aus den Jahren 1954/55 waren einst Auslöser für wütende Bürgerproteste. Heute ist die zeitlose dekorative Ästhetik der Gemälde von Max Weiler, der 2001 im Alter von 90 Jahren verstarb, längst allgemein anerkannt.
Ich verlasse den Bahnhof und gehe zum Eduard-Wallnöfer-Platz, der an der Nordseite vom Neuen Landhaus begrenzt wird, einem Bauwerk aus den Jahren 1938/39, das ursprünglich als Teil eines pompösen Gauforums geplant war. Davor steht das nach Kriegsende von der französischen Besatzungsmacht finanzierte Befreiungsdenkmal, das dem Eingangsportal des Bauwerks aus der nationalsozialistischen Ära dahinter verblüffend ähnlich sieht und die faschistische architektonische Formensprache dieses Platzes noch verstärkt, was ich ziemlich irritierend finde.
Vom Eduard-Wallnöfer-Platz ist es nur ein Katzensprung bis zur monumentalen Triumphpforte. Ursprünglich befand sich hier eine schlichte hölzerne Ehrenpforte, die anlässlich des feierlichen Einzugs der Braut von Maria Theresias Sohn Peter Leopold, dem späteren Kaiser Leopold II., aufgestellt wurde. Auf der Südseite der heutigen Triumphpforte erinnern Reliefs an die Vermählung von Leopold mit Maria Ludovica aus Spanien. Ihre Hochzeit wurde jedoch vom unerwarteten Tod Kaiser Franz I., Maria Theresias Ehemann, überschattet. Die Skulpturen und Reliefs auf der Nordseite sind daher diesem tragischen Ereignis gewidmet. Dieser Triumphbogen, der aus Steinen des abgebrochenen Vorstadttores erbaut wurde, vereint somit die elementaren menschlichen Empfindungen Trauer und Freude wie die zwei Seiten einer Medaille.
Auf der Maria-Theresia-Straße, Innsbrucks breitem Prachtboulevard mit zahlreichen Geschäften und noblen Palais, gehe ich bis zur Annasäule. Das barocke Mariendenkmal zählt zu den bekanntesten Postkartenansichten der Stadt. Gleich daneben befindet sich das Neue Rathaus, wobei das Adjektiv „neu“ nur im Kontext zum Vorgängerbau Gültigkeit hat. Das Alte Rathaus wurde nämlich bereits 1897 vom heutigen Bürgermeistersitz abgelöst. Ziemlich neu ist hingegen die Umgestaltung des Neuen Rathauses durch den französischen Architekten Dominique Perrault: Die Rathausgalerien, eine überdachte Shopping-Mall mit bunten Glasfenstern, entstand im Jahr 2002, ebenso wie ein 37 Meter hoher Turm. Ich fahre hinauf in die „360°-Bar“ im siebten Stock. Um sie herum führt ein schmaler Balkon, der tolle Ausblicke in alle Himmelsrichtungen gewährt. Über die Türme der Altstadt und neuere Dachlandschaften schaue ich über den Inn auf die Stadtteile Mariahilf und Hötting.
Die Herzog-Friedrich-Straße führt mich direkt vor das Goldene Dachl, dem Prunkerker Kaiser Maximilians I., der im Jahr 1490 als Landesfürst von Tirol die habsburgischen Regierungsgeschäfte übernahm. Das „güldende Dachl“ war für den Regenten der ideale Ort, um Turniere und andere Vergnüglichkeiten zu beobachten. Heute ist es ein dankbares Fotomotiv, beinahe jeder Schnappschuss gelingt!
Vorbei an der Ottoburg gelange ich zur Innbrücke, der Namensgeberin der Stadt. Ich schlendere am Herzog-Siegmund-Ufer des Inn hinunter zur Markthalle. Mittlerweile ist es Mittagszeit und angenehm warm. Viele Menschen bevölkern den Schanigarten des angrenzenden Marktcafés. Ich blicke über den türkisfarbenen Inn auf die Mariahilfstraße, wo sich verschiedenfärbige Häuser aneinanderreihen. Ihre zeltförmigen Dächer harmonieren perfekt mit den Gipfeln der Nordkette im Hintergrund, die mich magisch anziehen. Kaum zu glauben, dass man/frau binnen kürzester Zeit direkt vom Stadtzentrum dort hinaufkommen kann! Zielstrebig gehe ich zur Talstation der Hungerburgbahn. Die Fahrt mit der Standseilbahn bis zur Bergstation Hungerburg dauert kaum mehr als zehn Minuten. „Burg“ steht dort oben übrigens keine, der Name bezieht sich auf eine Jausenstation, deren kleine Portionen ihr den Beinamen „Hungerburg“ einbrachten, der später auf den heutigen Stadtteil von Innsbruck überging.
Alle Stationen der Hungerburgbahn – eine befindet sich in der Nähe des Eingangs zum berühmten Innsbrucker Alpenzoo – wurden von der britisch-irakischen Stararchitektin Zaha Hadid gestaltet. Der reguläre Fahrpreis hinauf zu diesem wunderbaren Ausblick auf die Stadt beträgt inklusive Rückfahrt 10,90 Euro. Wer ein Klimaticket besitzt, braucht nichts zu bezahlen. Auf die Benutzung der Nordkettenbahnen trifft das allerdings nicht zu.
Von der Bergstation Hungerburg ginge es noch weiter hinauf auf die Seegrube und mit einer zweiten Kabinenseilbahn sogar aufs Hafelekar, einem Gipfel am südlichsten Teil der Karwendel-Kette auf beachtlichen 2334 Metern Seehöhe. Da diese Berge nördlich von Innsbruck emporragen, werden sie auch „Nordkette“ genannt.
Ebenso schnell, wie ich hinaufgekommen bin, gelange ich auch wieder nach unten. Gegenüber der Hungerburg-Talstation gehe ich durch den Innsbrucker Hofgarten zur Universitätsstraße und werfe einen Blick auf das moderne Gebäude der SOWI, der Sozial- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Innsbruck. Der preisgekrönte Bau aus den späten 1990er-Jahren zählt zu den Vorzeigeobjekten des „modernen Innsbruck“. Noch neuer ist das Haus der Musik gegenüber der Hofburg.
Planlos lasse ich mich durch ein paar verwinkelte Altstadt-Gassen treiben, und dabei übersehe ich beinahe die Zeit. Ich frage eine Passantin, wie lange ich von hier bis zum Hauptbahnhof brauche. „Fünf Minuten, höchstens zehn!“, antwortet die sportliche Tirolerin. Das sollte sich ausgehen!
Der Zug Richtung Salzburg ist ziemlich voll, doch bereits in Jenbach steigen viele aus. Solange die Sonne noch zwischen hohen Berggipfeln hindurchlugt, blicke ich gedankenverloren aus dem Fenster. Bei Einbruch der Dämmerung döse ich dann vor mich hin. Bin ich froh, dass ich nicht mit dem Auto ins nebelgraue Wien zurückfahren muss!
Mein Fahrplan am 8.3.2022:
Wien Hbf. ab 06:30, Innsbruck Hbf. an 10:44. Retour um 17:14, Wien Hbf. an 21:30.
CO2-Emissions-Ersparnis gegenüber einer Fahrt im eigenen PKW: 201,14 kg
* Dieser Text ist eine vom Autor gekürzte Fassung von Kapitel 2 seines Buches Österreich mit dem Klimaticket entdecken – 20 Ausflüge mit Bus und Bahn.