Flinserlumzug Bad Aussee

Zum Faschingsausklang nach Bad Aussee

Von Reinhard Mandl*
Am Faschingsdienstag sind in Bad Aussee im steirischen Salzkammergut die Arbeitertrommelweiber unterwegs und auch die berühmten Ausseer Flinserl mit ihren fantasievollen Kostümen haben am letzten der heiligen drei Faschingstage ihren großen Auftritt. Grund genug, wieder einmal ins Ausseerland zu reisen, zumal bereits die Anreise dorthin wunderbare Schau-Erlebnisse offeriert, vor allem die Fahrt mit der Salzkammergutbahn.

Eine malerische Reise

Pünktlich auf die Minute treffe ich am Faschingsdienstag um 09:41 Uhr im Bahnhof Bad Aussee ein. Knapp vier Stunden bin ich im Zug gesessen, und dennoch hätte die Fahrt gerne noch länger dauern können. Der zweite Streckenabschnitt von Attnang-Puchheim bis Bad Aussee war besonders eindrucksvoll. Da die Züge auf der Salzkammergutbahn deutlich langsamer unterwegs sind als auf der Weststrecke, hatte ich während der Fahrt viel Muße, um die zauberhafte Landschaft durchs Zugfenster zu genießen. Absolutes Highlight war die Fahrt entlang des Hallstätter Sees, mit dem freien Blick auf den Weltkulturerbe-Ort Hallstatt am gegenüberliegenden Ufer. Aus der Distanz wirkten die Dimensionen der einzigartigen Lage dieses Ortes noch beeindruckender: Nahezu senkrecht ragen rund um Hallstatt schroffe Berge in die Höhe.

Vom Bahnhof in Bad Aussee führt mein Weg zunächst entlang der Bahnpromenade. Schon nach wenigen Metern mache ich Bekanntschaft mit der typischen Architektur des Ausseerlandes: wohl proportionierte Wohnhäuser mit holzverkleideten Obergeschossen und hübschen Veranden.

Ich treffe einen freundlichen Herrn, der mir die Namen der imposanten Berggipfel ringsherum aufzählt: Sarstein, Sandling, Loser, Tressenstein und Trisselwand heißen sie. Außerdem erzählt er mir, dass heute gleich mehrere Faschingsumzüge stattfinden. „Die Trommelweiber sind schon unterwegs, um halb zwei ist Angelobung im Gasthof Blaue Traube.“ Angelobung der Trommelweiber – was soll das sein? „Die jungen, die zum ersten Mal dabei sind, müssen eine Art Aufnahmeprüfung bestehen, zum Beispiel ein Viertel Liter Schnaps trinken. Wenn sie noch sehr jung sind, reicht ein Glas Milch. Dazu gibt’s Krapfen, die womöglich mit Senf gefüllt sind. Auch ein Gelübde wird den Neulingen abverlangt: Ich gelobe, an den heiligen drei Faschingstagen alle Kraft einzusetzen, um jedweden Arbeitseifer schon im Keim zu ersticken,“ rezitiert der auskunftsfreudige Herr mit einem schelmischen Lächeln.

Den Kurhausplatz erreiche ich gleichzeitig mit einer Gruppe weiß gekleideter, musizierender Gestalten. Sie tragen altmodische weiße Frauennachthemden mit Spitzenhäubchen und werden vom Obertrommelweib angeführt, das eine Art Taktstock schwingt. Bei näherem Hinsehen stellt sich heraus, dass sich hinter den verschiedenen Frauenmasken der Trommelweiber die Gesichter von waschechten Mannsbildern verstecken. Ihre Kostümierung ist ein spöttischer Verweis auf resolute Ehefrauen, die seinerzeit ihre Männer spät in der Nacht aus diversen Ausseer Wirtshäusern heimholen mussten. Als Pendant zu den bürgerlichen Markter Trommelweibern, die schon seit 1767 am Rosenmontag durch Aussee ziehen, wurden 1928 die Arbeiter-Trommelweiber gegründet, die am Faschingsdienstag ihren großen Auftritt haben. Die „fünfte Jahreszeit“ wird im Ausseerland übrigens nicht als Fremdenverkehrsattraktion inszeniert. Vielmehr handelt es sich dabei um eine lange zurückreichende Tradition, in die große Teile der Bevölkerung aktiv eingebunden sind.

Um 14 Uhr haben auch die Ausseer Flinserl ihren großen Auftritt. Vor dem Gasthof „Blaue Traube“ spielen Musikanten auf. Auch sie tragen die auffälligen Flinserlkostüme – helle Leinenanzüge, auf die in mühseliger Handarbeit phantasievolle Muster aus verschiedenfärbigen Filzstoffen genäht werden, die mit glänzenden Silberplättchen, den Flinserln, verziert sind. Die Inspiration für diese Kostüme dürften Salzfahrer im 18. Jahrhundert aus Venedig ins Ausseerland gebracht haben. Die kostbaren Trachten sind teilweise über hundert Jahre alt und werden von Generation zu Generation weitergegeben.

Als der Umzug beginnt, stehen an Straßenrändern und am Kurhausplatz bereits jede Menge Kinder, die aufgeregt „Nuuß, Nuuuß!“ rufen, sobald sie die Flinserl die Straße entlangkommen sehen. Jedes Mal, wenn eines der Kinder einen Spruch aufsagt, greifen die Flinserl in ihre Leinensäckchen und werfen eine Handvoll Nüsse und andere Süßigkeiten in die Luft. Der Flinserlzug wird von Musikanten angeführt, mit zwei Leibwächtern an vorderster Front, den sogenannten „Zocherln“. Sie tragen Stöcke, an denen aufgeblasene Schweinsblasen befestigt sind. Damit bahnen sie den Flinserln den Weg durch die vielen Schaulustigen und achten gleichzeitig darauf, dass sich die Erwachsenen nicht an den Naschereien für die Kinder vergreifen.
Neben Flinserln und Trommelweibern sind bei diesem fröhlichen Maskentreiben auch noch andere Verkleidete unterwegs, etwa die „Pless“. Die ziehen mit Weidenkörben auf den Köpfen durch die Gegend und tragen Stöcke, auf denen Putzfetzen befestigt sind. In der Ischler Straße beobachte ich zwei Miss Marples, die sich zur allgemeinen Belustigung „very britsh“ in nasalem Tonfall unterhalten. Die Straßen von Bad Aussee sind heute nämlich auch von den „Maschkera“, den Maskengestalten, bevölkert, die als Hexen oder Indianer verkleidet bis spät in die Nacht durch die Stadt flanieren.

Solange kann ich aber leider nicht bleiben. Kurz vor 16 Uhr spaziere ich mit vielen Eindrücken im Kopf zurück zum Bahnhof. Mit ein paar Minuten Verspätung rollt der Eilzug vom steirischen Bahnknotenpunkt Stainach-Irdning in den Bahnsteig von Bad Aussee ein. Ich war den ganzen Tag auf den Beinen, jetzt genieße ich den Luxus, die Füße auszustrecken und die Landschaft draußen vor dem Zugfenster an mir vorbeiziehen zu lassen. Kurz nach 20 Uhr treffe ich wieder am Wiener Hauptbahnhof ein.

MEIN FAHRPLAN:
Wien Hbf. ab 05:55, Bad Aussee an 09:41 (über Attnang-Puchheim). Retour um 16:16, Wien Hbf. an 20:05. (CO2-Emissions-Ersparnis gegenüber einer Fahrt im eigenen PKW: 105,64 kg)

* Dieser Text ist eine vom Autor gekürzte Fassung von Kapitel 1 seines Buches Österreich mit dem Klimaticket entdecken – 20 Ausflüge mit Bus und Bahn.